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Warum wir „oddly satisfying videos“ so lieben

Ein Video, in dem jemand grünen Schleim knetet. Ein anderes Video, in dem Hände eine Seife in regelmäßige Stücke schneiden. Und Millionen Menschen, die sich diese kruzen Clips ansehen. Doch warum sind sie für uns so…satisfying?

Ich durfte neulich mit 1Live darüber sprechen und möchte die Psychologie dahinter natürlich auch mit euch teilen!

Was lösen oddly satisfying Videos in uns aus? Warum lieben wir sie?

Grund 1: Sie entspannen uns.

Die Gründe, aus denen wir solche Videos gerne schauen, sind unterschiedlich. Für die meisten bieten sie eine willkommene Abwechslung zum stressigen Alltag: Von überall prasseln Eindrücke auf uns ein, unser Nervensystem ist ständig mit neuen Düften, Geräuschen und Bildern konfrontiert. Dagegen wirkt es geradezu meditativ, sich auf eine einzige Sache zu fokussieren, die simpel ist, und uns somit eine Art Pause von den vielen Eindrücken des Alltags (und vor allem des Medienkonsums) bietet. Oddly satisfying Videos entspannen uns schlichtweg. Wir müssen uns auch keine Sorgen um den Ausgang der Videos machen, denn alles läuft perfekt ab.

Grund 2: Sie haben einen haptischen Inhalt.

Ein wiederkehrendes Motiv ist auch, dass Menschen in den Videos etwas mit ihren Händen tun. Dieses Haptische fehlt in unserem Leben häufig. Wir können in den Videos sehen, wie durch das Benutzen der Hände etwas verändert wird, was für uns sehr befriedigend wirkt. Besonders Menschen, in deren Jobs sich nicht direkt das Ergebnis ihrer Arbeit zeigt (also z.B. bei Bürojobs im Gegensatz zu haptischen Jobs wie Tischlern oder Malern, die die Ergebnisse ihrer Mühen direkt sehen), reagieren auf solche Videos. Wenn wir etwas in Nahaufnahme sehen, haben wir außerdem oft das Gefühl, wir würden es direkt anfassen bzw. geradezu spüren können – auch wenn im Video andere Hände sich mit dem Material befassen, wird unser eigener Tastsinn angesprochen. Das liegt an sogenannten Spiegelneuronen. Auch außerhalb von unseren Jobs ist der Tastsinn ein eigentlich elementarer Sinn, der häufig zu kurz kommt. Evolutionär mögen wir es, Materialien mit unseren Händen zu erforschen, was man auch sehr deutlich bei kleinen Kindern erkennen kann, die die Welt primär haptisch erkunden. Menschen versuchen durch das Ansehen solcher Videos also vielleicht auch unterbewusst, ihren Tastsinn zu aktivieren – ohne dafür wirklich etwas tun zu müssen. Das fällt leicht, da die Videos alltagsnah sind und wir uns gut in sie hineinversetzen können.

Grund 3: Sie zeigen Symmetrie bzw. Perfektion.

Ein anderer Grund dafür, dass wir uns beim Anschauen solcher Videos gut fühlen, ist die menschliche Liebe zu Symmetrie, die oft auch in den Videos perfekt vollführt wird. Nicht umsonst werden gerade Menschen mit symmetrischen Gesichtern als attraktiv eingeschätzt.


Das menschliche Streben nach Perfektion ist in erster Linie ein Mechanismus, um Ängste abzuwehren. Wenn ich mich z.B. so perfekt wie möglich auf eine Präsentation vorbereite, kann ich damit meine Angst bekämpfen, während der Präsentation zu versagen. Wir gehen davon aus, dass Perfektion eine Art Schutzmantel für uns ist, der uns vor Scham oder Verurteilungen schützen kann. Das, was uns Menschen aber von Maschinen unterscheidet ist genau die Tatsache, dass wir gar nicht perfekt sein können. Im Gegensatz dazu kann ein geschnittenes Stück Seife in einem Oddly satisfying Video ganz genau in der Hälfte (also perfekt) geschnitten werden. Was wir als Menschen also nicht erreichen können, können wir an Gegenständen in solchen Videos beobachten und uns dadurch ein gewisses Sicherheitsgefühl aufbauen. Dieses muss in der Realität keinen Sinn ergeben, es ist nur wichtig, wie unser Gehirn es wahrnimmt. Und bei diesen Videos scheint es zu funktionieren: Wir können uns durch beobachtete Perfektion entspannen und werden zusätzlich noch mit einem Glückshormoncocktail belohnt. 


Dass wir perfekt sein wollen, hat übrigens ganz viel mit unserer Erziehung zu tun, da „gutes“ Verhalten belohnt wird und wir so dazu konditioniert werden, so „gut wie möglich“ zu sein.

Was lösen die Videos in unserem Gehirn aus?

Wer sich „oddly satisfying videos“ ansieht, kann dadurch auch Stress und Angstzustände reduzieren. Eine Studie von Prof. Rober Colombo konnte nachweisen, dass die Glückshormone Dopamin und Serotonin freigesetzt werden. Das ist durch das Ansehen eines sehr kurzen Videos wesentlich leichter zu erreichen als durch reale Handlungen, vor allem für Menschen, die sich einsam fühlen oder eher zurückgezogen leben.

Verändern die Videos unseren Social Media Konsum?

Wenn Menschen gerne diese Videos schauen, kann sich ihr Social Media Konsum verändern. Eventuell greifen sie häufiger zum Handy, um sich diesen Instant-Serotoninkick zu holen und verbringen somit mehr Zeit in sozialen Netzwerken. Oder sie bemerken, welche Videos was in ihnen auslösen und fokussieren ihren Konsum dann auf die Videos, die ihnen „gut tun“, also z.B. oddly satisfying Videos anstelle von Neid auslösenden Celebrityvideos. Dazu ist aber eine gewisse Selbstbeobachtung nötig. 

Sind diese Videos also gut oder schlecht für mich?

Das würde ich generell jedem raten: Schaue, wie es dir beim Ansehen solcher Videos geht. Wie lange hält das gute Gefühl danach an? Wie oft hast du das Gefühl, solche Videos zu „brauchen“? Wird die Menge vielleicht mehr? Welche anderen Dinge in deinem Alltag können vielleicht auch langfristig positive Gefühle in dir auslösen?

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