Wenn unser Alltag von verschiedenen Stressoren geprägt ist, fällt es manchmal schwer, wieder zu Gelassenheit zu finden. Die folgenden Tipps können dir (teilweise sehr schnell, teilweise etwas langsamer) helfen, Stress abzubauen.
1. Durchbrechen von Stressmustern
Wenn wir gestresst sind, verfallen wir in ganz typische Reaktionen: Einige Menschen sind so erregt, dass sie Schlafprobleme bekommen und extrem viel Sport machen, andere Menschen gelangen in eine Art Freeze-Modus und schlafen extrem viel. Versuche, diese automatischen Muster zu durchbrechen, indem du bewusst andere Aktivitäten wählst, z.B. in der Natur spazierengehen oder Musik hören.
Extra-Tipp: Singen ist ein echter Alleskönner bei der Stressbewältigung! Wir fokussieren uns auf etwas ganz anderes (nämlich den Text) und durch die tiefe Atmung, die zum Singen erforderlich ist, kann Singen direkt auf unser vegetatives Nervensystem einwirken und für Entspannung sorgen.
2. Selbstwirksamkeit durch kleine Handlungen stärken
Selbst einfache Aufgaben wie das Wegbringen von Müll oder das Machen des Bettes können ein Gefühl der Kontrolle und Zufriedenheit vermitteln. Wir versuchen in stressigen Zeiten oft, Energie zu sparen, indem wir diese kleinen Aufgaben liegen lassen (und uns auch keine Zeit für die unter Punkt 1 aufgelisteten Aktivitäten nehmen), doch genau das hält den Stresskreislauf aufrecht.
3. Check-In für dein Wohlbefinden
Achte auf deine Grundbedürfnisse wie Schlaf, Ernährung und Komfort, um Stressfaktoren zu minimieren. Sie zu ignorieren, beeinträchtigt dich und trägt zum Stressempfinden bei!
Fange direkt jetzt an, indem du dir diese Fragen bei einem kurzen Check-in stellst: Hast du genügend geschlafen, getrunken und gegessen? Sitzt du bequem, ist deine Kleidung bequem? Musst du vielleicht schon seit längerer Zeit zur Toilette?
Wenn du eines dieser Bedürfnisse direkt befrieden kannst, dann tu das! Lege einen kleinen Power-Nap ein, trinke einen halben Liter Wasser oder wechsle deine Sitzposition.
Du würdest ja immerhin auch nicht zu einer dreistündige Autofahrt starten, ohne im Vorfeld zu checken, dass dein Auto genügend Benzin und Kühlwasser hat – und ohne diese Mängel zu beheben, wenn sie auftreten!
4. Achtsamkeit im Hier und Jetzt
Lenke deine Gedanken auf den gegenwärtigen Moment, um Ängste vor der Zukunft zu reduzieren, denn oft sind Gedanken an mögliche Konsequenzen und die Zukunft per se der eigentliche Stressor – und nicht die Aufgabe, die im Hier und Jetzt zu erledigen ist.
Du kannst ganz einfach ins Hier und Jetzt (zurück)finden, indem du dich auf folgende Fragen fokussierst: Wo bist du jetzt gerade? Was hast du jetzt gerade wirklich zu tun? Was kannst du jetzt um dich herum sehen? Was kannst du fühlen, schmecken oder riechen?
Extra-Tipp: Einigen meiner Patient*innen hilft es, eine Duftkerze anzuzünden, die sie durch den Geruch stetig daran erinnert, in der Gegenwart zu bleiben!
5. Multitasking vermeiden
Reduziere Ablenkungen und schaffe klare Arbeitsumgebungen, um effektiver zu arbeiten. Nach jeder Unterbrechung braucht unser Gehirn ziemlich lange, um wieder auf das vor der Unterbrechung herrschende Konzentrationsniveau zurückzukommen. Wenn wir Ablenkungen minimieren, ermöglicht uns das den Fokus auf das, was jetzt gerade dran ist.
Du kannst Störungen abbauen, indem du ablenkende Reize minimierst. Es kann z.B. helfen, die Bürotür zu schließen, Kolleg*innen um Ruhe zu bitten, das Smartphone in ein anderes Zimmer zu verbannen oder feste Telefonzeiten zu vereinbaren, um ansonsten konzentriert bleiben zu können.
6. Prioritäten setzen und delegieren
Ich möchte dich zu einem kleinen Gedankenexperiment einladen: Stell dir vor, du brichst dir heute beide Hände, hast eine Gehirnerschütterung und so schlimme Halsschmerzen, dass du nicht mehr sprechen kannst. Was würde sich daraus ergeben? Was bedeutet das im Hinblick auf deine Aufgaben? Welche Aufgaben können delegiert werden oder bei welchen kann dir jemand anderes helfen? Schreibe diese jetzt auf einen Zettel und bitte andere um Hilfe!
Vermutlich sind einige Aufgaben auch gar nicht deine eigenen, sondern du wolltest Kolleg*innen helfen. Sortiere daher auch die Aufgaben aus, die nicht Teil deines Jobs sind und schreibe diese auf einen Zettel. Gib sie zurück an die Personen, die sie dir überlassen haben. Du kannst ehrlich erklären, dass du dich etwas übernommen hast und gerne helfen wolltest, aber leider festgestellt hast, dass deine eigene To-Do-Liste bereits ziemlich lang ist.
7. Bitte um Hilfe
Identifiziere wichtige Aufgaben und bitte bei Bedarf um Unterstützung, um Überlastung zu vermeiden. Sei ehrlich, wenn du dich gestresst fühlst, damit dein Umfeld darauf reagieren und dir helfen kann.
8. Umgang mit Glaubenssätzen
Hinterfrage negative Überzeugungen wie Perfektionismus und Hilfsbereitschaft, um gesündere Denkmuster zu etablieren. Vielleicht musst du ja gar nicht jedem helfen und alle Aufgaben perfekt erledigen, um wertvoll zu sein…?
Dieser Prozess ist etwas aufwändiger, aber umso lohnenswerter. Hier kann dir ein*e Psycholog*in oder Psychotherapeut*in gut weiterhelfen!
9. Physiologischer Seufzer
Dieser Tipp ist besonders wertvoll, wenn du dich mitten im Stresserleben befindest und nicht adäquat reagieren kannst, weil du z.B. im Stau stehst und diesen nunmal nicht beeinflussen kannst.
Bestimmt hast du schonmal Kinder auf eine ganz spezifische Art seufzen hören, wenn sie versuchen sich selbst zu beruhigen. Es ist ein tiefes Einatmen, gefolgt von einem kürzeren Einatmen und dann einem langen Ausatmen. Diese Atemtechnik nennt sich „physiologischer Seufzer“. Am besten atmest du durch die Nase ein und durch den Mund aus. Bereits die zweifache Wiederholung dieser Atemtechnik führt nachweislich zu einem geringeren Stressempfinden!